Marburger Milieustudie – von Intellektuellen und Underdogs

Auf gut 180 Seiten schlüsselt die Milieustudie 2022 für Marburg auf, wer wo und wie in der Stadt lebt, arbeitet, wohnt und am gesellschaftlichen Leben teilhat. Die Milieustudie soll Grundlage für die künftige Stadtentwicklung und Planung sein.

Marburg verfügt über eine sogenannte Milieulandschaft, die in sechs Verbünden unterschieden wird, wobei die jüngeren und kreativen die Stadt prägen. Dies sind die drei Milieus der „individualistisch geprägten digitalen Avantgarde“, die „mobile, zielstrebige junge Mitte mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus“ und die „multi-optionale, effizienzorientierte Leistungselite mit global-ökonomischem Denken und stilistischem Avantgarde-Anspruch“. Diese drei Milieus sind im Vergleich zu Deutschland in Marburg „deutlich überrepräsentiert“, heißt es in der Studie.
Grundsätzlich werde eine Zunahme dieser drei Milieus erwartet, wobei an der jungen Avantgarde der – leicht rückläufige – Anteil von Studenten einen großen Teil beiträgt. Dieser führt auch dazu, dass dieser Verbund in der Altstadt dominiert, während in den Außenstadtteilen das „klassische Establishment“ sowie die „aufgeklärte Bildungselite“ und „Leistungselite“ stark vertreten sind.

Dann gibt es noch die vier Verbünde mit „besonderem Förderbedarf“, in denen es hohe Anteile an „hedonistischen Milieus“ gebe, was als „junges freizeitorientiertes Unterschichtmilieu mit defizitärer Identität und Underdog-Bewusstsein“ umschrieben wird, das „auf der Suche nach Spaß, Unterhaltung und Konsum“ sei und sich „Leistungs- und Anpassungserwartungen der Mehrheitsgesellschaft verweigert“.

Die mit Abstand höchste Kaufkraft und den höchsten Anteil an Senioren ohne Anzeichen für Altersarmut weisen die Stadtteile Wehrshausen und Dagobertshausen auf. Dort dominieren die Leitmilieus der Konservativ-Etablierten und Liberal-Intellektuellen, wo zugleich der Anteil von Haushalten mit Migrationshintergrund am geringsten ist. Insgesamt entspreche die Milieuverteilung aber der in den ähnlich großen Universitätsstädten Gießen und Tübingen, allerdings mit einem deutlich geringeren Anteil an Migrantenmilieus und einem geringen an EU-Ausländern. Die Hauptaufgabe der Planung bleibe, die Mischung in den Milieus zu erhalten und diese zu verbreitern.” (Oberhessische Presse, Gianfranco Fain, 22.06.2022)

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Bild: Georg Kronenberg

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